Die Änderungskündigung
Gehaltssenkungen und Co. in der Finanzkrise
- Ein Beitrag zur betriebsbedingten Änderungskündigung
Die Finanzkrise ist in der realen Wirtschaft angekommen. Die Zahl der Unternehmen, die Arbeitnehmer „freisetzen“, also ihre Mitarbeiter kündigen, steigt. Täglich ist in den Medien von immer weiteren Unternehmen zu lesen, die Kündigungen schon ausgesprochen haben oder dies beabsichtigen. Neben der klassischen Beendigungskündigung ist in wirtschaftlich schlechten Zeiten gerade auch das angeblich mildere Instrument der Änderungskündigung weit verbreitet. Eine Änderungskündigung ist gemäß § 2 Kündigungsschutzgesetz eine reguläre Kündigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit geänderten, schlechteren Arbeitsbedingungen.
Besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen wird oftmals versucht, die Änderungskündigung rechtsmissbräuchlich zur einseitigen allein vom Arbeitgeber veranlassten Senkung der Vergütung des Arbeitnehmers einzusetzen. Unternehmen versuchen hierdurch das wirtschaftliche Unternehmerrisiko auf die Belegschaft abzuwälzen. Nicht selten erhalten Arbeitnehmer in diesen Tagen ein Schreiben mit nachstehendem Inhalt:
„Sehr geehrter Herr Schmidt,
auch unser Unternehmen ist von der Finanzkrise betroffen. Dramatische Umsatz- und Gewinneinbrüche der letzten drei Monate haben es zur Vermeidung einer Insolvenz unseres Unternehmens unausweichlich gemacht, Personalkosteneinsparungen vorzunehmen. Davon bleibt auch Ihr Arbeitverhältnis in unserem Hause nicht verschont. Wir kündigen deshalb hiermit Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2009. Gleichzeitig bieten wir Ihnen die Weiterbeschäftigung auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz als Abteilungsleiter zu zwei Dritteln Ihrer bisherigen Bezüge an.
Ihr
Geschäftsführer Meier“
Wer eine Änderungskündigung zur Gehaltsabsenkung erhält, hat zumeist gute Aussichten dagegen vorzugehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind nur diejenigen Änderungskündigungen zur Gehaltsabsenkung zulässig, die in einer existentiellen Notlage des Unternehmens, wie der drohenden Stilllegung des Betriebes, ausgesprochen werden. Nur dann, wenn durch anderweitige Kostensenkungsmaßnahmen nicht mehr aufzufangende betriebliche Verluste entstehen und sämtliche Mitarbeiter des Unternehmens, nicht nur diejenigen Mitarbeiter der mit Verlust arbeitenden Unternehmensteile, von der Änderungskündigung betroffen sind, kann diese gerechtfertigt sein, Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.08.1998, Aktenzeichen 2 AZR 84/98, Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.05.2002, Aktenzeichen 2 AZR 292/01.
Hinter der scheinbar harmlosen Änderungskündigung verbirgt sich trotz der an sich guten Aussichten für eine erfolgreiche gerichtliche Überprüfung derselben eine Sammlung von arbeitsrechtlichen Fallen, die den unbedarften Arbeitnehmer wirtschaftlich schwer schädigen kann. Der Arbeitnehmer als Empfänger der Änderungskündigung ist nämlich nunmehr verpflichtet, auf die Kündigung zu reagieren. Dabei hat er die Möglichkeit der Kündigung zu widersprechen oder die Kündigung anzunehmen. Im zweiten Fall hat der von der Änderungskündigung betroffene Arbeitnehmer die Wahl zwischen unbedingter Annahme oder einer Annahme unter Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung.
1. Ablehnung des Änderungsangebots
Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ab, ändert dies nichts an der Kündigung. Eine Ablehnung des Änderungsangebots kann ausdrücklich erfolgen, zum Beispiel durch eine schriftliche Äußerung oder auch durch bloßes Abwarten. Der Grundsatz: „wer sich nicht wehrt, hat schon verloren“, trifft hier den Empfänger der Kündigung in aller Härte. In den meisten Fällen ist die Änderungskündigung mit einer Annahmefrist versehen. Wer binnen der gesetzten Frist keine Annahme erklärt, wird nahezu zwangsläufig arbeitslos. Immer dann, wenn die Annahmefrist drei Wochen beträgt, ist bei bloßem Nichtstun auch die Frist des § 4 Kündigungsschutzgesetz zur Erhebung der Kündigungsschutzklage verstrichen. Damit wird die Kündigung ohne weitere Prüfung der Kündigungsgründe wirksam. Die bloße Nichtbeachtung, ein „weiter so“ im Beruf führt demnach unweigerlich zum Verlust des Arbeitsplatzes.
Wer das Änderungsangebot ausdrücklich ablehnt ist deswegen nicht weiter zu seinen alten vertraglichen Bedingungen beschäftigt. Auch in diesem Fall ist mit der ausdrücklich erklärten Ablehnung nicht getan. Binnen der genannten Frist von drei Wochen ist in diesem Fall zwingend die Kündigungsschutzklage zu erheben. Wer die Frist zur Klageerhebung versäumt oder meint, dass er mit dem Widerspruch genug getan hat, verliert ebenfalls seinen Arbeitsplatz.
2. Annahme der Änderungskündigung
a. Vorbehaltslose Annahme
Der einfachste und rechtlich am leichtesten zu behandelnde Fall ist die vorbehaltlose Annahme der Änderungskündigung. Bei der vorbehaltlosen Annahme der Änderungskündigung wird ein neuer Arbeitsvertrag zu den in der Änderungskündigung genannten Bedingungen geschlossen. Der neue Arbeitsvertrag ersetzt vollumfänglich die bisherigen Regelungen.
b. Annahme unter Vorbehalt
Der Empfänger der Änderungskündigung kann diese unter Vorbehalt annehmen. Ziel einer derartigen Annahme ist die anschließende gerichtliche Feststellung, dass die Änderungskündigung nicht wirksam war und der Arbeitsvertrag zu den alten Bedingungen weiter Geltung beanspruchen kann. Auch hier gilt die Dreiwochenfrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage. Die Annahme unter Vorbehalt muss binnen der Kündigungsfrist, spätestens jedoch binnen drei Wochen nach Erhalt der Änderungskündigung erklärt werden. Die Erklärung kann formfrei abgegeben werden. Aus Gründen der Beweissicherung sollte die Annahme unter Vorbehalt immer schriftlich mit Zugangsnachweis erfolgen. Wer die Annahme unter Vorbehalt erklärt hat, der ist verpflichtet, bis zur gerichtlichen Überprüfung im Rahmen der eingereichten Kündigungsschutzklage nach § 2 Satz 2 KSchG zu den im Änderungsangebot genannten Bedingungen zu arbeiten. Obsiegt der Arbeitnehmer im anschließenden Kündigungsschutzverfahren, wird er zu den ursprünglichen Bedingungen seines alten Arbeitsvertrages weiterbeschäftigt und erhält, sofern es zu einer Gehaltsabsenkung gekommen war, die Gehaltsdifferenz ausgezahlt. Verliert der Mitarbeiter den Rechtsstreit, wird er zu den unter Vorbehalt angenommenen Bedingungen weiter beschäftigt.
3. Checkliste Änderungskündigung
Hier werden beispielhaft die wesentlichen Punkte genannt, die vor der Entscheidung über den weiteren Umgang mit der erhaltenen Änderungskündigung durch den gekündigten Mitarbeiter zu berücksichtigen sind. Neben den für jede Kündigung geltenden allgemeinen Prüfpunkten sind hier insbesondere die spezifischen Gründe für die „Änderung“ der arbeitsvertraglichen Bedingungen zu beachten. Im Gegensatz zu einer normalen Kündigung ist bei der Änderungskündigung der gekündigte Mitarbeiter bereits dadurch besser gestellt, dass die ausgesprochene Änderungskündigung im Falle einer gerichtlichen Überprüfung nur dann wirksam werden kann, wenn ein spezielles betriebliches Interesse an der „Änderung der Arbeitsverträge“ dargelegt werden kann. Bereits an diesem Punkt scheitert die Wirksamkeit vieler Änderungskündigungen.
a. Kündigungsgründe
-Sind Kündigungsgründe genannt? Außerordentliche oder ordentliche Kündigung ?
-Bei betriebsbedingter Änderungskündigung: Liegt eine „Unternehmenskrise“ vor?
-Ist die unternehmerische Neuausrichtung des Betriebes, Arbeitszeit, Schichtsystem etc geboten?
-Kann das unternehmerische Ziel durch andere Maßnahmen im Wege der -Ausübung des Direktionsrechtes ohne Ausspruch einer Änderungskündigung erreicht werden?
-Anwendung des Kündigungsschutzgesetztes: Kein Kleinbetrieb? Wartezeit (> 6 Monate) erfüllt ? Soziale Rechtfertigung der Kündigung ? Schriftform, § 623 BGB
-Liegt die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats vor?
b. Änderungsangebot
-Schriftform eingehalten?
-Einzelne oder mehrere vertragliche Änderungen ?
-Änderungen inhaltlich bestimmt oder exakt bestimmbar?
-Gehalt herabgesetzt
-Anpassungsklausel bei Gehaltsherabsetzung?
-Ist der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Gehaltsabsenkung oder ähnlichen Maßnahmen beachtet?
-Ist bei Arbeitszeitregelungen die Vereinbarkeit mit den Tarifverträgen gegeben?
4. Fazit
Wer eine Änderungskündigung erhält, sollte umgehend einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt aufsuchen. Die leider weit verbreitete Mentalität des „Aussitzens“ führt zu irreparablen Rechtsverlusten für den Gekündigten. Wird die Änderungskündigung lediglich als Mittel zur „Disziplinierung oder Herabsetzung“ einzelner Mitarbeiter genutzt, so ist sie auf jeden Fall rechtswidrig.
Dr. jur. Frank Sievert
Hamburg, 13. Februar 2009
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